Azsflug - See - wütend

 

Ausflug ohne Frieden

 

„Kinder!“, flötete Frau Dambach am Sonntagmorgen gutgelaunt. „Ich habe eine wundervolle Überraschung für euch!“ Ihre Töchter Marie, Marina und Ina sahen zögerlich auf. Wenn ihre Mutter so eine Flötenstimme hatte, bedeutete das nichts Gutes. „Wir machen heute einen fabelhaften, wunderschönen Ausflug!“, trällerte Frau Dambach. „Wir fahren zum Sonnenbräunen an einen See. Schön, oder?“ „Super, einfach klasse!“, zischte Ina ironisch. „Wir wollten allerdings ins Freibad, nicht zu einem abgelegenen, langweiligen, blöden See!“ „Ach was, das Freibad kann warten!“, erwiderte ihre Mutter. „Der See aber auch!“, reifen alle drei Schwestern gleichzeitig. „Nichts da! Ihr kommt mit! Beeilt euch, in zehn Minuten fahren wir!“

 

Eine halbe Stunde später parkte Frau Dambach das Auto mitten im Wald. Drei schlecht gelaunte, wütende Mädchen stiegen aus. „Warum mussten wir denn unbedingt mit?“, murrte Ina. „Wir sind hier ja mitten in der Pampa!“ Wütend knirschte sie mit den Zähnen. Frau Dambach lächelte zuckersüß und brachte damit jedes Mädchen in Sekundenschnelle zur Weißglut. „Ihr braucht ein bisschen Farbe, meine Lieben. Ganz blass seid ihr. Das muss sich schleunigst ändern.“ „Ach ja!“ Böse stampfte Marie mit dem Fuß auf. „Es ist noch nicht einmal Sommer. Du willst bloß wieder bei deinen Freundinnen mit deiner bescheuerten Bräune angeben!“ „Marie!“, knurrte Frau Dambach scharf. „Am liebsten würde ich dich mit deinem unmöglichen Benehmen nach Hause schicken!“ „Da wollen wir ja auch hin!“, schrie Marie wütend. Wortlos ging Frau Dambach weiter. „So, da wären wir. Ein schönes Plätzchen, stimmt‘s?“ „Aber ja doch, Mama, diese vielen, hungrigen Mücken sind bestimmt sehr angenehm.“, murmelte Marina schlecht gelaunt. Bitterböse sah Frau Dambach ihr ins Gesicht, auch ihr Zorn auf Marie loderte wieder auf. Den Rest des Nachmittags wurden Marina und Marie ignoriert. Wütend breiteten sie ihre Handtücher auf dem Gras aus. „Mama? Wir gehen jetzt schwimmen.“, verkündete Ina plötzlich und setzte sich abrupt auf. „Nein, ihr bleibt liegen!“, befahlt Frau Dambach. „Ihr geht nicht ins Wasser.“ Ina, die einzige, die noch beachtet wurde, sprang auf. „Und weshalb nicht, Mama?“ „Bist du taub?“, schrie Frau Dambach. „Weil – ich – es – nicht – möchte!!!“ Marie ballte kampflustig die Fäuste, ein zweiter Wutanfall bahnte sich langsam an. „Und weshalb nicht? Sag uns einfach einen vernünftigen Grund, den vielleicht auch wir verstehen!“, schrie sie mit ohrenbetäubender Lautstärke. „Du kannst dich meinetwegen bräunen, solange du willst. Aber wenn wir das nicht wollen, solltest du das auch akzeptieren. Es tanzt nicht immer alles nach deiner Pfeife!“ Frau Dambach wurde feuerrot, ihre Augen verengten sich zu winzigen bedrohlichen Schlitzen. So starrte sie die drei Mädchen an. „Jetzt dürft ihr erst recht nicht!“, schrie sie bitterböse. „Ich werde aufpassen, dass ihr nicht heimlich ins Wasser geht!“ Demonstrativ setzte sie sich ins Gras und verschränkte die Arme. Sobald Marie einen Schritt Richtung Wasser machte, wurde sie zurückgezerrt. Die Mutter meinte es ernst. Doch die Mädchen hatten einen Plan. Wütend warfen sie sich auf ihre Handtücher und stellten sich schlafend. Der Plan ging auf. Nachdem Frau Dambach sich gründlich vergewissert hatte, dass alle drei Mädchen schliefen, reckte und streckte sie sich genüsslich auf ihrem Handtuch und schlief ein. Darauf hatten ihre Töchter sehnsüchtigst gewartet. Sie wartete noch ein paar Minuten, dann sprangen sie still auf und gingen klammheimlich ins Wasser. Schnell schwammen sie von dem mit Schilf bewachsenen Uferrand weg. Das Wasser war schön warm und kristallklar, man konnte bis auf den Grund sehen. „Wundervoll!“, jauchzte Ina leise. Marie drehte sich um. Frau Dambach schlief ruhig, von der prallen Sonne beschienen, auf dem Gras. Erleichtert teilte Marie den anderen dies mit. „Sehr gut!“, meinte Marina. „Aber wir müssen uns leise unterhalten, sonst wacht sie am Ende doch noch auf, und dann geht’s uns an den Kragen.“ „Sie wird es bestimmt nicht merken.“ Ina kicherte. „Und wenn doch, dann gibt es garantiert die schlimmsten Strafen, die Mama sich ausdenken kann. Zum Beispiel Hausarrest…aber das ist jetzt egal, ich tauche jetzt ein bisschen.“ Und weg war sie. Lange war sie unten. Sorgenvoll versuchte Marina, Ina zu erspähen, aber es kräuselten sich zu viele Wellen auf dem Wasser. Da tauchte Ina luftschnappend auf. „Ich habe etwas Spannendes entdeckt!“, rief sie. „Unten auf dem Grund steht eine seltsame braune, wasserdichte Holzkiste. Sie ist verschlossen.“ „Ich tauche mal!“, verkündete Marie aufgeregt. „Bis gleich.“ Mit wenigen Schwimmzügen erreichte sie den Grund. Dort stand wirklich eine kleine Kiste, verschlossen. Ein großes Plastikschloss hing daran. Marie wollte die Kiste hochheben, aber sie war zu schwer. Ihr ging die Luft aus. Kaum war sie wieder an der Wasseroberfläche, tauchte Marina ab. Nachdenklich betrachtete sie das Plastikschloss und kickte mit dem Fuß dagegen. Die Kiste sprang auf. In diesem Moment wurde sie nach oben gezogen. „Marina, schnell! Mama ist aufgewacht!“ Tatsächlich. Am Ufer, halb vom Schilf verdeckt, stand eine bitterböse Frau Dambach. Sie hatte die Arme in die Seiten gestemmt  und schrie unverständliche Sachen. Eilig schwammen die Mädchen zum Uferrand und stiegen wie begossenen Pudel aus dem Wasser. „Habe ich es euch nicht verboten, ins Wasser zu gehen?“, schrie Frau Dambach. Kampflustig ballte Ina die Fäuste. Die ganze angestaute Wut überrollte sie wie eine riesige Welle. „Du wolltest, dass wir regungslos in der Sonne liegen und uns bräunen. Dir war es egal, ob wir das auch wollen oder nicht. Den ganzen Nachmittag hast du uns mit dieser blöden See-Idee versaut!“ „Ihr seid unmöglich!“, keifte die Mutter. „Ich weiß eben, was wichtig ist – nämlich das Aussehen, Mode. Im Sommer seid ihr immer leichenblass – als einzige! Und im Wasser kann man sich nicht bräunen lassen. Wenn ich es erlaubt hätte…“ „Mama, du bist gemein!“ So ging es hin und her. „Wir wollten eben auch was tun, was uns Spaß macht! Bräunen!“ Maries Tonfall war verächtlich und abfällig. So ging es weiter – bis zum Abend.

 

„Ich hätte zu gern gewusst, was in der Kiste ist!“, sagte Ina am nächsten Tag. „Und deshalb folgt jetzt die Ankündigung: Morgen geht es zu dem See!“ „Nein, Mädels!“, mischte sich Frau Dambach ein. „Ich will nie wieder zu diesem dummen See. Nie wieder!“

 

 

 J.S. Klasse 4